Anwendungen für Industrial Analytics

Für eine effizientere Maschinen- und Prozessüberwachung

Anwendungen für Industrial Analytics

Zustandsüberwachung als Grundlage

Jeder ungeplante Produktionsstillstand auch einzelner Maschinen erzeugt zusätzlichen Aufwand, höhere Kosten und geringeren Output. Eine daten-getriebene, durchgängige und bestmögliche Zustandsüberwachung ist eine wesentliche Grundlage für eine maximales Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen.

Maschinenüberwachung
Ein wesentlicher Use Case ist dabei die kontinuierliche Maschinenüberwachung. Hier gilt es, anhand relevanter Daten wie bspw. Strom, Temperatur oder Vibration, Anomalien im laufenden Betrieb frühzeitig zu erkennen, diese Anomalien idealerweise klassifizieren zu können und vorausschauend mögliche Fehler zu erkennen. Dabei geht es oft um Verschleißerscheinungen, die mittels Machine Learning-basierter Analytics frühzeitig und zuverlässig erkannt werden. Daraus ergibt sich dann die Möglichkeit, rechtzeitig Service & Wartungseinsätze zu planen, für eine maximale Verfügbarkeit zu minimalem Aufwand.

Prozessüberwachung
Ein weiterer wesentlicher Use Case ist die kontinuierliche Prozessüberwachung. Hier geht es darum, Abweichungen von Prozessparametern frühzeitig zu erkennen und bei Bedarf in den Prozess eingreifen zu können. Aufbauend auf der vorhandenen Steuerungslösung und den zumeist bereits verfügbaren Daten, werden mittels einer Modell-basierten Machine Learning-Lösung wiederum Anomalien erkannt und soweit möglich klassifiziert. Wo die Regel-basierte Automatisierung an ihre Grenzen stößt, ermöglicht ML ganz neue Einblicke in bisher unbekannte Prozesszustände. Mit dem Ergebnis, frühzeitiger und gezielter in den Prozess eingreifen zu können.

Anlagenverfügbarkeit erhöhen

Auf Basis einer kontinuierlichen Zustandsüberwachung von Maschinen und Anlagen ergeben sich verschiedene Use Cases, die auf das Ziel einer maximalen Anlagenverfügbarkeit einzahlen, was wiederum der Schlüssel zu einer wirtschaftlichen Produktion ist. Grundsätzlich ist der Zustand einer Anlage kontinuierlich bekannt, wodurch sich eine maximale Sicherheit für die Prozessverantwortlichen ergibt. Zudem lassen sich Fehler bzw. Anomalien in den Maschinendaten frühzeitig erkennen, und es können notwendige Maßnahmen eingeleitet werden bevor es zur tatsächlichen Störung oder gar zum Ausfall der Anlage kommt.

Ein Anwendungsbeispiel ist die automatisierte Überwachung von Hochgeschwindigkeits-Förderbändern in der Intralogistik. Eine Aufgabe ist die Überwachung und Vorhersage der Längung der Förderketten-Elemente, in Abhängigkeit von den diversen Einflussfaktoren wie Geschwindigkeit, Last, Laufzeit oder Temperatur. Dabei geht es um die frühzeitige Identifikation von einzelnen geschädigten Kettenbereichen. Übergreifend erfolgt damit auch eine Abbildung bzw. Sicherung des Wissens der Servicetechniker über den Zustand der Anlage, damit auch eine Transformation hin zu einer kontinuierlichen datenbasierten Überwachung der Anlage. Als konkrete Nutzen ergeben sich aus der automatisierten Überwachung eine Reduktion der Service- und Wartungsaufwände, ebenso wie eine höhere Verfügbarkeit und damit Produktivität der Anlage. Mit Blick auf neue Geschäftsmodelle wird bspw. der Verkauf von Verfügbarkeit in Form von neuen oder erweiterten Service Level Agreements (SLAs) ermöglicht. Schließlich führen solche IIoT-Services zu neuen wahrnehmbaren Features für die Endkunden und eine entsprechend höhere Kundenbindung.

Ein anderer Anwendungsfall ist das automatisierte Monitoring von Lüftern einer Galvanik-Fertigungshalle. Bei der Galvanik ist die Entlüftung ein fertigungskritischer Prozess. Es entsteht bspw. Knallgas, das bei kritischer Konzentration eine Explosionsgefahr bedeutet. Säurehaltige Stoffe können zudem zu Korrosion an den Betriebsmitteln führen. Außerdem besteht eine Verantwortung im Bereich Arbeitsschutz und Mitarbeiter-Gesundheit. Die Aufgabe ist eine kontinuierliche Überwachung der Lüfter mittels smarter Sensorik und ML-basierter Datenanalyse. Der zu beschreitende Weg ist von vorbeugender, regelbasierter hin zu zustandsbasierter Instandhaltung. Daraus ergeben sich eine Minimierung von ungeplanten Fertigungsstillständen und eine Reduzierung der Instandhaltungskosten. Als Nutzen aus dieser beispielhaften Ende-zu-Ende Lösung für Brownfield-Applikationen ergibt sich zunächst einmal die kontinuierliche, automatisierte Zustandsüberwachung. Diese ist Grundlage für die Reduzierung bzw. Minimierung von Inspektion, Wartung und Reparatur. Im konkreten Fall konnte von einer monatlichen Inspektion der Lüfter mit Begehung auf dem Galvanik-Dach zu einer halbjährlichen Inspektion gewechselt werden. Ungeplante Stillstände konnten reduziert und die Verfügbarkeit der Anlage darüber erhöht werden. Ein IoT-Anwendungsfall mit konkretem Nutzen.

Maschinenverhalten lernen, Produktqualität sichern

Auf Grundlage der Prozessdaten und deren Auswertung mittels ML-Technologien ergibt sich in vielen Fällen die Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Qualität der gefertigten Produkte zu ziehen. Anhand ausgewählter Prozess-Parameter können ML-basiert Muster erkannt werden, die einem konkreten Prozesszustand zuzuordnen sind. Daraus abgeleitet können bspw. Toleranzbereiche überwacht werden und es wird frühzeitig erkannt, wenn Toleranzen aus dem Maß laufen bzw. laufen werden im Sinne einer Vorhersage.

Intelligente Datenanalyse verhilft Grenzebach zu Qualitätssicherung in Echtzeit und vorausschauender Maschinenwartung für seine innovativen Rührreibschweißsysteme. Damit trägt der Maschinen- und Anlagenbauer dazu bei, die 24/7-Serienfertigung auf ein neues Level zu heben.

Ein sich drehender Reibstift ist das zentrale Werkzeug beim Rührreibschweißen (Friction Stir Welding, FSW), dem innovativen Fügeverfahren, das Grenzebach für Leichtmetalle wie Aluminium und dessen Legierungen entwickelt hat. Durch Reibung und Druck erzeugt der Stift die erforderliche Prozesswärme, um die Metalle plastisch zu verformen und sie durch Rotation entlang der Nahtstelle zu verrühren. Auf diese Weise entsteht – ohne Zugabe von Schweißzusätzen oder Schutzgas – eine robuste Verbindung, die sich durch dauerhafte Stabilität und Verzugsfestigkeit auszeichnet. Voraussetzung für dieses Ergebnis ist, dass sich der Reibstift wie gewünscht verhält. Präzise Zug- und Druckkräfte sind entscheidend für den passenden Verformungsgrad des Metalls. Eine Kontrolle der Qualität erfolgte bislang durch den Maschinenbediener, der nach dem FSW-Prozess die Schweißnaht optisch begutachtete – ein aufwendiges Vorgehen, dessen Erfolg zudem stark vom persönlichen Know-how des Anwenders abhing.

Echtzeit-Monitoring beim Schweißvorgang

Technologieentwickler Dr. Carlos Paiz Gatica erläutert die Funktionsweise der Anomalieerkennung: Der Abgleich von Referenzmodell und aktuellem Prozess erlaubt eine Qualitätseinschätzung in Echtzeit. Als Vorreiter im Bereich Industrie 4.0 macht sich Grenzebach heute intelligente Datenanalyseverfahren zunutze, die präzise Vorhersagen ermöglichen. Hierzu kommt eine maßgeschneiderte Industrial-Analytics-Lösung von Weidmüller zum Einsatz.

Unsere an die Anforderungen von Grenzebach angepasste Analytics-Software vergleicht die an den Sensoren erfassten Kräfte während des Schweißprozesses mit einem idealen Referenzdatensatz. Sobald eine Abweichung vorliegt, die sich außerhalb der definierten Parameter befindet, erhält der Maschinenbediener einen Hinweis und weiß sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist. Eine manuelle Kontrolle jeder Schweißnaht entfällt somit

Dr. Daniel Kress, Senior Data Scientist

Zur Ermittlung des Referenzmodells hat Weidmüller in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren bei Grenzebach die Datensätze von mehreren 100 Schweißnähten auf ihre Relevanz hin beurteilt und anhand intelligenter Datenanalyseverfahren ausgewertet. Einen wesentlichen Bestandteil der Analysen bildete das Know-how von Grenzebach. Die Weidmüller Software kann Fehler zwar mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit vorhersagen – Voraussetzung hierfür ist jedoch stets, dass er zuvor klassifiziert worden ist. Nur Grenzebach kann bewerten, ob eine Anomalie tatsächlich als kritischer Fehler einzustufen ist.

Produktqualität und Verfügbarkeit im Angebot

Neben der Qualitätskontrolle der Schweißnähte erfasst die Analytics-Software auch die Prozessparameter jedes produzierten Teils und ermöglicht damit eine lückenlose Dokumentation – ein entscheidender Vorteil nicht nur unter rechtlichen Aspekten, sondern auch hinsichtlich einer möglichen Rückverfolgung und Reproduktion. Gleichzeitig liefert das System frühzeitig Hinweise dazu, wann ein Auswechseln des Reibstifts ratsam ist. Mit diesem Wissen kann der Maschinenbediener die Instandhaltungsmaßnahme so planen, dass Ausfallzeiten vermieden werden.

„Ein wichtiger Faktor, denn neben der Minimierung des Ausschusses, welcher durch einen Werkzeugbruch entstehen kann, ist gerade im Maschinen- und Anlagenbau die Verfügbarkeit der Maschine von großer Bedeutung“, bekräftigt Kress.

Für sein zukünftiges Geschäftsmodell sieht das Hightech-Unternehmen Grenzebach gleich mehrere Vorteile: „Zum einen können wir unseren Kunden eine sehr genaue und überprüfbare Qualitätskontrolle sowie eine Vorhersage über den Ausfall der Anlage anbieten, durch den sie Ressourcen und Kosten sparen. Zum anderen sind wir in der Lage, datengetriebene Services umzusetzen und damit quasi die Produktqualität oder die Verfügbarkeit der Anlage zu verkaufen“, erklärt Michael Sieren, Leiter Vertrieb FSW von Grenzebach.

Service & Wartung optimieren

Aus der Zustandsüberwachung ergibt sich unmittelbar der konkrete Nutzen, den Service und die Wartung von Maschinen und Anlagen zu optimieren. Service & Wartung erfolgen zukünftig nicht mehr präventiv oder reaktiv, sondern zustandsbasiert. Als Maschinenbauer lassen sich daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln, bspw. das Angebot neuer Service Level Agreements (SLA) auf Basis frühzeitiger Informationen über den Maschinenzustand und entsprechend schnellerer Reaktionszeiten oder als präventiver Service bevor es zum Ausfall kommt. Als Betreiber lässt sich der Bedarf für Service & Wartung anhand der integrierten Analytics-Funktion frühzeitig erkennen. Damit lassen sich notwendige Einsätze frühzeitig planen, ungeplante Stillstände minimieren, Personalkosten senken und Ersatzteil-Management optimieren.

Um Fehler und Betriebsanomalien aufzudecken, bevor sie entstehen, setzt der Kompressorhersteller Boge auf eine Software für vorausschauende Wartung von Weidmüller.

Der Beginn des gemeinsamen Projekts mit Weidmüller zur vorausschauenden Wartung von Kompressoren war bereits im Oktober 2016. „Wir haben zunächst eine Machbarkeitsstudie dazu durchgeführt, ob die Software von Weidmüller zur Detektion von relevanten Fehlern geeignet ist“, erklärt Georg Jager, Teamleiter Turbomaschinen bei Boge. „Heute steht fest: Anomale Zustände und Fehlermuster erkennt die auf unsere Anforderungen maßgeschneiderte Analytics-Lösung absolut zuverlässig“, so Jager. Bevor es so weit war, haben die Spezialisten von Weidmüller eine aufwendige Datenanalyse durchgeführt. Anhand der Ergebnisse wurde eine individuelle Analytics-Lösung für die Anforderungen des neuen Boge-Top-Produkts, des High-Speed-Turbo-Kompressors (HST), entwickelt. Die Aufgabenstellung war dabei klar formuliert: Welche Daten sind relevant, um mit ihnen einen konkreten Schaden am Kompressor zu prognostizieren?

Gezielte Datenauswahl und -bewertung

Der High-Speed-Turbo-Kompressor (HST) von Boge arbeitet absolut ölfrei und setzt neue Maßstäbe in der Produktion von ölfreier Druckluft. Bei der Konstruktion war das Ziel höchste Effizienz im Betrieb und in der Wartung. Angetrieben werden die Kompressoren durch einen Permanentmagnetmotor mit einer hohen Energiedichte. Als Besonderheit baut Boge im HST-Kompressor eine luftgelagerte Antriebswelle ein – die Voraussetzung für extrem hohe Drehzahlen weit jenseits von 100.000 Umdrehungen. Die Welle treibt einen titangefertigten Impeller an, die zusammen mit einer speziellen Gehäusekonstruktion für besonders effektive Drucklufterzeugung sorgen. Alle Daten stammten von Messtechnikkomponenten, die ohnehin im Kompressor vorhanden waren, sodass keine Sensorik nachgerüstet werden musste.

Um die ermittelten Werte einschätzen zu können, untersuchten die Data Scientists aus dem Industrial-Analytics-Team von Weidmüller mithilfe statistischer Verfahren alle Daten, beurteilten die eigentliche Datenqualität und entschieden gemeinsam mit Boge über deren Relevanz. Benötigt wurde an dieser Stelle spezifisches Knowhow zum Druckluftsystem; in die Bewertung floss eine umfassende Betriebserfahrung ein, die auf allen Maschinen im Feld basierte. Anschließend sortierten die Experten von Weidmüller radikal aus, sodass am Ende deutlich weniger Datenquellen übrig blieben. Außerdem musste das Team Erfahrung dazu sammeln, wie die Messwerte miteinander korrelieren.

Bei den Auswertungen wurde klar, dass es nicht auf den einzelnen Wert, sondern auf das Datenmuster ankommt. So entsteht ein komplexes Datenmodell der Normalität, mit dessen Hilfe der Schadensfall präzise vorhergesagt werden kann, wenn die Werte in einer bestimmten Weise vom gelernten Modell abweichen. Dabei ist außerdem wichtig, dass dieses System laufend dazulernt. Mit jeder neuen Fehlermeldung und anhand von Rückmeldungen des Bedieners verändert es sich. Die Analytics-Lösung ist so konzipiert, dass aus nicht bekannten Situationen gelernt wird – berechnete Vorhersagen werden also über die gesamte Betriebszeit des Kompressors immer präziser.

Auf die Minute genau den Schaden prognostizieren – und verhindern

Der Anwender profitiert von einer hocheffektiven Software, die Auskunft darüber gibt, wie viele Minuten oder Stunden es noch dauert, bis ein technisches Problem an der Maschine entsteht. Der weitere Einsatz des Kompressors entscheidet dann darüber, ob dieser Wert Bestand hat: Verändert sich das Einsatzszenario und die Maschine wird geschont, verlängert sich die angezeigte „Restlaufzeit“.

Rundum sorglos mit selectcair

In jedem Fall lassen sich größere Schäden an der Technologie verhindern, wenn Anwender rechtzeitig reagieren und einen Serviceeinsatz oder ein Wartungsintervall einleiten. Hier schließt sich der Kreis für Boge, denn das gesamte Servicepaket der Druckluftspezialisten basiert auf dem Prinzip „Sicherheit geht vor“. Es wird alles unternommen, damit die Maschine so wenig und kurz wie möglich während ihres Lebenszyklus stillsteht. Eine Investition in Redundanzanlagen ist nicht mehr nötig. „Um dieses Ziel zu erreichen, gehen wir innovative Schritte und leisten Pionierarbeit im Servicebereich“, erklärt Georg Jager von Boge. Ergebnis ist das Servicekonzept Boge selectcair. Neben der Analytics-Software beinhaltet es die Fernüberwachung Boge airstatus, die in allen Maschinen ab Werk integriert ist, sowie die „24-Stunden-Recovery“. Damit garantiert Boge, dass eine Maschine bei Stillstand nach spätestens 24 Stunden wieder in Betrieb genommen werden kann. „Predictive Maintenance ist hierbei wichtig, weil sich damit Serviceeinsätze natürlich noch früher planen lassen. Die Maschine wird lediglich für die Zeit der Wartung kurz abgeschaltet, und unnötig lange Stillstandszeiten gehören der Vergangenheit an. Wir sind überzeugt davon, dass sich diese Technologie im Druckluftmarkt durchsetzt und neue Benchmarks setzt.“

BOGE – Marktführer für Kompressoren

Mit der Erfahrung von mehr als 110 Jahren gehört die BOGE KOMPRESSOREN Otto Boge GmbH & Co. KG zu den ältesten Herstellern von Kompressoren und Druckluftsystemen in Deutschland. Das Unternehmen baut Kolben-, Schrauben-, Scroll- und Turbokompressoren, die vor allem in der Medizintechnik sowie der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zum Einsatz kommen. Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet ist der Automobil- und Maschinenbau.
Das international tätige Familienunternehmen beschäftigt 850 Mitarbeiter, davon rund 490 am Stammsitz in Bielefeld, und liefert seine Produkte und Systeme in weltweit mehr als 120 Länder.